30 Jahre „Die Andere Bibliothek“
Eine Buchreihe, die sich mittlerweile 30 Jahre am Markt behauptet hat, muss ihre besonderen Qualitäten haben. Als 1984 der Autor Hans Magnus Enzensberger und der Hersteller und Verleger Franz Greno die „Die Andere Bibliothek“ begründeten (der erste Band erschien im Januar 1985, seitdem monatlich jeweils ein Band), war dieser Erfolg noch keineswegs absehbar. Dass sich die mutigen Initiatoren gerade der Idee des ‚schönen‘ – des jeweils schön, funktional und unverwechselbar ausgestatteten, experimentierfreudigen und inhaltlich unprogrammatisch ‚offenen‘– Buchs (Motto: „Wir drucken nur Bücher, die wir selber lesen möchten“) verschrieben haben, war jedoch aus der historischen Situation heraus nur allzu verständlich: Der Start der Reihe fiel in eine Phase beginnender Verlagskonzentration, einer immer stärker steigenden, massenhaften Bücherproduktion und zugleich des zunehmenden Verfalls der Ausstattungsqualität und damit der Buchkultur insgesamt:
„Die Technik des Buchdrucks – in meisterlicher Anwendung bis auf den heutigen Tag die ästhetisch überzeugendste Art, Bücher zu drucken – ist Opfer der Rationalisierung geworden. Von Ausnahmen in Museen und Liebhaber-Werkstätten abgesehen, ist der Buchdruck aus den Betrieben des graphischen Gewerbes verschwunden. Und weltweit gibt es neben der „Anderen Bibliothek“ keine andere große Buchreihe mehr, die unter den Händen fachkundiger, ambitionierter Schriftsetzer und Drucker im Buchdruck entsteht.“ Dieses Credo aus einem Prospekt mit dem bezeichnenden Titel „Über DIE SCHWARZE KUNST“ vom Dezember 1985 ist bis heute gültig geblieben. Und „Die Andere Bibliothek“ hat sich, trotz aller ökonomischen und sonstigen Schwierigkeiten (Umstellung von Blei- auf Computersatz, Herausgeberwechsel, Verlagswechsel), behauptet.
„Die Andere Bibliothek“ ist eines der bedeutendsten Zeugnisse der Buchkultur der letzten Jahrzehnte, und man wird ihr sogar erheblichen Einfluss auf eine veränderte Wahrnehmung des Buchs und der Buchästhetik und auf das in den letzten zwei Jahrzehnten wieder gestiegene buchgestalterische Anspruchsdenken in einer Reihe von Verlagen zuschreiben können.
In den Vorträgen des zum 30. Jubiläum der Reihe am 29. Mai 2015 an der LMU in München von PD Dr. Wilhelm Haefs und Rainer Schmitz ausgerichteten wissenschaftlichen Kolloquiums geht es um die Idealität und Materialität des schönen Buchs: Um Beschreibung, Analyse und Bewertung der Reihenprogrammatik, der inhaltlichen Ausrichtung und insbesondere der literarischen Experimente und Novitäten, der spezifischen Buchästhetik, die sich den Prinzipien von Ereignis, Inszenierung und Experiment verschrieben hat sowie den Formen von Werbung und Distribution. „Die Andere Bibliothek“ wird also in allen ihren Facetten als ein außergewöhnliches verlegerisches und buchästhetisches Erfolgsprojekt vorgestellt.
Programm
13:00 Begrüßung: Prof. Dr. Florian Mehltretter (LMU München), Dekan der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften
13:15 PD Dr. Wilhelm Haefs (LMU München)
Das schöne Buch als Ereignis und Inszenierung – Die Andere Bibliothek
14:15 Friedrich Forssman (Kassel)
Die „Schwarze Kunst“ und Die Andere Bibliothek
15:00 Kaffeepause
15:30 PD Dr. Gustav Frank (LMU München)
Die Sichtbarkeit der Literatur in der Anderen Bibliothek
16:30 Prof. Dr. Christof Windgätter (BTK Hochschule für Gestaltung Berlin)
Same same but different? Betrachtungen der Anderen Bibliothek
Die von Masterstudierenden der Münchner Buchwissenschaft in einem Projektseminar unter der Leitung von PD Dr. Wilhelm Haefs konzipierte Ausstellung, die am 29. Mai 2015 um 18:00 Uhr im Foyer der Ausleihhalle der Universitätsbibliothek München eröffnet wird, ist ebenfalls der Buchreihe „Die Andere Bibliothek“ gewidmet. Sie zeichnet die Geschichte eines der bedeutendsten Zeugnisse ästhetischer Buchkultur der letzten Jahrzehnte
nach: Angefangen mit den im Januar 1985 erschienenen Lukians „Lügengeschichten“ zählt die bekannte Buchreihe bis zum Jahresende 2014 insgesamt 360 Bände, darunter Romane, Märchen, Tagebücher, Reiseberichte und Kulturgeschichten. Diesem breiten Spektrum an Inhalten und Gattungen liegen sowohl eine anspruchsvolle bibliophile Gestaltung als auch ein hoher programmatischer Anspruch zugrunde. Das Ziel der Reihe „Die Andere Bibliothek“ ist es, visuelles, sinnliches und intellektuelles Lesevergnügen miteinander zu verbinden.
Bilder zur Ausstellung von Gina Kacher, Jennifer Maurer und Slávka Rude-Porubská.
VERANSTALTUNGSTERMIN
Kolloquium am 29. Mai; Ausstellung vom 29. Mai bis 9. Oktober 2015
VERANSTALTUNGSORT
Hörsaal E 216, Hauptgebäude der LMU München
Foyer der Ausleihhalle, UB München
ORT
München
VERANSTALTER
Studiengänge Buchwissenschaft an der LMU München
VERANSTALTUNGSPARTNER
Internationale Buchwissenschaftliche Gesellschaft (IBG)
FÖRDERER
Institut für Deutsche Philologie an der LMU München
Studiengänge Buchwissenschaft an der LMU München
Studienbüro der Fakultät 13 an der LMU München