„Ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft“ – Waldemar Bonsels nach dem Zweiten Weltkrieg
von Christina Lemmen
„Ein hoffnungsvoller Blick scheint mir heute bedeutungsvoller, als ein trüber in die Vergangenheit.“
So beginnt der halbseitige Text, der Anfang Dezember 1947 in Kulturblätter. Beiträge aus Politik, Wirtschaft und Kultur unter dem Titel Würde der Armut erscheint. Zunächst ist man geneigt, Bonsels‘ Äußerung zuzustimmen, denn scheint Hoffnung nicht immer sinnvoller als ein Hadern mit der nicht mehr zu verändernden Vergangenheit? Doch angesichts des Veröffentlichungszeitpunktes scheint eine genauere Betrachtung ratsam.
Der Zweiten Weltkrieg ist vorüber, wie seit vielen Jahren lebt Waldemar Bonsels mit seiner Lebensgefährtin Rose-Marie Bachofen in seinem großzügigen Haus am Starnberger See. Trotz der weiterhin herrschenden Papierknappheit konnte er bereits wieder Romane veröffentlichen, wie 1946 den Kriminalroman Mortimer und erst vor Kurzem Runen und Wahrzeichen. Doch auch in Bonsels‘ Familie hat der Krieg Spuren hinterlassen. Zwei seiner Söhne sind als Soldaten an der Ostfront gefallen. Da schiene ein „trüber“ Blick zumindest nicht verwunderlich. Eine solch private Ebene sucht man in Bonsels‘ öffentlichen Äußerungen jedoch vergeblich.
Persönlich wird es in anderer Hinsicht, wenn Bonsels von seinen Erfahrungen der zurückliegenden zwölf Jahre berichtet:
„Es war nicht leicht, als ein Verfolgter, als Emigrant in Amerika und als ein zu früh Wiedergekehrter, sein Herzens-, Gedanken- und Bücherschiff durch die trüben Wogen der zurückliegenden Zeit zu steuern.“
Wer sich etwas genauer mit der Biografie des Schriftstellers auskennt, mag sich nun verwundert die Augen reiben. Waldemar Bonsels ein Verfolgter und Emigrant? Richtig ist, dass seine Bücher – mit Ausnahme von Biene Maja, Himmelsvolk und Indienfahrt – im Mai 1933 auf der „Schwarzen Liste“ (Liste 1: Schöne Literatur) auftauchen und aus Büchereien und Bibliotheken entfernt werden sollen. Anfang der 1930er Jahre zählt Bonsels seit über zwei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellern. Es ist nachvollziehbar, dass ihm das Auftauchen fast seines gesamten bisherigen Werks auf den Listen der „auszusondernden Literatur“ wie ein Schlag ins Gesicht erscheinen muss. Schließlich hat er gerade noch in dem Artikel Begründungen den antisemitischen Kurs der neuen Regierung begrüßt. Dass Bonsels‘ Werke auch den Bücherverbrennungen zum Opfer fallen, ist nicht belegt. Zu den verbotenen Autoren gehört er nicht.
Die Indizierung einzelner Werke wird 1938 aufgehoben, er kann weiter ungehindert veröffentlichen und auf Lese- und Vortragsreisen gehen. Freunde in politischen Ämtern – wie der Autor und Präsident der Reichsschrifttumskammer Hanns Johst – setzen sich für ihn ein.
Und die angebliche Emigration? Tatsächlich hält sich Waldemar Bonsels ab November 1934 in den USA auf. Dort reist er von Vortrag zu Vortrag und schreibt an dem autofiktionalen Roman Der Reiter in der Wüste. Außerdem bemühen sich Bonsels und die ihn begleitende Rose-Marie Bachofen um Kontakte zur Filmbranche in Hollywood mit dem Ziel der Verfilmung seiner Werke – anscheinend vergebens. Es mag sein, dass beide bei erfolgreichen Verhandlungen tatsächlich in den USA geblieben wären. Stattdessen kehren sie im Juni 1935 zurück nach Europa, wo sich Bonsels – stets bedacht auf seine Vorteile – mit dem Regime der NS-Zeit arrangiert.
Zurück zu dem Artikel von 1947: Bonsels plädiert darin für einen „nach innen gewandten Blick“, das aktuelle Verhalten der Menschen solle man angesichts der äußeren Umstände nicht verurteilen. Und das vergangene Verhalten? Darüber würde er wohl gerne den Mantel des Vergessens legen. Der amerikanischen Militärregierung war jedoch ein Exemplar seines 1943 in kleiner Privatauflage erschienenen Christus-Romans Dositos mit einem antisemitischen Vorwort in die Hände gefallen. Trotz umfangreicher Erklärungs- und Rechtfertigungsversuche erhält Bonsels Ende 1947 – wenn auch nur ein kurz andauerndes – Publikationsverbot.
Der kurze Artikel verrät viel von Bonsels‘ strategischem Vorgehen, sich den jeweiligen äußeren Gegebenheiten so anzupassen, dass ein vorteilhaftes Licht auf ihn fiel und die Wahrheiten so umzudeuten, dass er selbst ohne Makel schien.