„Ihnen die herzlichsten Weihnachtsgrüße“
– Waldemar Bonsels‘ Bekanntschaft mit dem Zeichner Heinz Rammelt
von Christina Lemmen
Ein Rehkitz und ein Hase drehen, sich an Pfote und Huf haltend, ihre Runden auf einem zugefrorenen See vor einer idyllischen Winterlandschaft. Der Zeichenstil – übergroße Augen, freundliches Grinsen und vermenschlichte Handlungen – auf dem postkartengroßen Blatt wirkt wie eine Szene aus einem Comic oder einem Zeichentrickfilm.
„Sehr geehrter Herr Bonsels,“ lässt sich auf der Kartenrückseite lesen, „Ihnen die herzlichsten Weihnachtsgrüße von Heinz Rammelt.“
Waldemar Bonsels hatte den Zeichner Heinz Rammelt (1912-2004) für die Entwürfe der Storyboards zu einer geplanten Zeichentrickverfilmung von „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“ vorgesehen. Begeistert von dessen Talent besonders für Tierzeichnungen, unterstützte er außerdem die Veröffentlichung von Rammelts Kinderbuchreihe „Hannibal und Bambu“ beim West-Ost-Verlag, wo auch Bonsels‘ Märchenbuch „Knorrherz und Ermelinde“ erschien. Vielleicht kannten sich die beiden bereits aus München, wo Heinz Rammelt in den frühen 1930er Jahren an der Kunstakademie studiert hatte oder die erste Begegnung fand in Berlin statt. Dort trafen sich in Rammelts Wohnung am Kurfürstendamm ab 1936 KünstlerInnen und SchriftstellerInnen. Bonsels wohnte unweit in der Hardenbergstraße 9, wenn er sich – wie oft in diesen Jahren – in Berlin aufhielt.
Der „Biene Maja“-Film war als erstes Werk in Spielfilmlänge bei der 1941 gegründeten Deutschen Zeichenfilm GmbH gedacht. Diese sollte nach den Vorstellungen von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels als deutsche Konkurrenz zum Wald Disney-Konzern aufgebaut werden.
Heinz Rammelt erhielt auf Wunsch von Bonsels – und das zeigt dessen gute Verbindungen zu den politischen Kreisen dieser Zeit – eine Anstellung als Hauptzeichner. Wie zwei Briefe im Nachlass zeigen, sind die Planungen im Frühjahr 1941 schon recht konkret. Rammelt hat im Berliner Insektarium bereits echte Bienen studiert und einige Entwurfszeichnungen angefertigt.
Allerdings herrschte in diesen Kriegszeiten Mangel an Zeichenkräften und Papier. Zunächst entstand daher mit „Armer Hansi“ ein 17-minütiger Kurzfilm, für den Heinz Rammelt die Hauptfigur des Kanarienvogels Hansi beisteuerte. Nach zweijähriger Arbeit konnte der Film 1943 fertiggestellt werden. „Armer Hansi“ sollte die einzige Produktion der Zeichenfilm GmbH bleiben. Die Kriegsumstände verhinderten die Verwirklichung weiterer Pläne, auch weil Rammelt 1943 zur Wehrmacht eingezogen wurde. Waldemar Bonsels‘ Traum von der Verfilmung seiner Werke war wieder einmal geplatzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Heinz Rammelt in der DDR als erfolgreicher Kinderbuchillustrator und entwickelte zahlreiche Diafilme. Darauf, die „Biene Maja“ als Zeichentrickfigur auf der Leinwand – oder besser: auf dem Fernsehbildschirm – zu sehen, musste die Welt noch Jahrzehnte warten. 1975, fast 25 Jahre nach Waldemar Bonsels´ Tod, gab das ZDF die Trickfilmserie in Auftrag.
Herzlichen Dank an Annekathrin Bürger und Olaf Rammelt für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung und weiterführende Informationen zu Heinz Rammelt.