Vernetzungsaktion Erika Mann 2

von Dez 2, 2020Vernetzungsaktion Erika Mann 2

Vernetzungsaktion #ErikaMann: Freiheit, Anstand, Toleranz (Teil 2) 

Welches Echo finden die von #ErikaMann vertretenen Ideale „Anstand, Freiheit und Toleranz“ in der Förderarbeit der nach Waldemar Bonsels benannten gemeinnützigen Stiftung? Wie lassen sich diese doch genuinen gesellschaftlichen und politischen Werte in Projekten für Kinder und Jugendliche aufgreifen, die dem Cluster „Lesen – Wissen – Kunst“ gewidmet sind?

Die Waldemar-Bonsels-Stiftung geht in ihrem Förderengagement von der Prämisse aus, dass Lektüre und fundierte Auseinandersetzung mit Texten sowie kulturelle und politische Bildung Jugendliche und junge Erwachsene zum kritischen, ideologiefreien Denken und zum Kompetenzaufbau im gesellschaftlichen Handeln befähigen. Literatur und Kunst sind nicht nur Medien, die Geschichten über unsere Welt erzählen oder  Ideale, Gesellschaftsentwürfe und politische Visionen transportieren. Lektüre und Erfahrung mit künstlerischer Praxis haben das Potenzial, junge Generation zum eigenaktiven Lernen, zur Gestaltung der (Um)welt und konstruktiver Veränderung unserer Gesellschaft anzuregen, ganz im Sinne von #ErikaMann

Beteiligt Euch, – es geht um Eure Erde! 

Leseförderung umfasst in der Arbeit der Stiftung daher insbesondere Vorhaben, bei denen Literaturtexte zum Ausgangspunkt von Diskussionen über aktuelle gesellschaftspolitische Themen werden.
So sprachen rund 30 Jugendliche bei dem im Münchner Literaturhaus gemeinsam mit der Internationalen Jugendbibliothek und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ausgerichteten #literaturCamp mit dem Motto „Die Welt ist ungerecht. Lesen.Reden.Welt retten?!“ über verschiedene Facetten der Gerechtigkeit: 

Erreicht man die Gerechtigkeit eher im Austausch und Konsens oder muss man sie erstreiten? Ist der Begriff gerecht gleichzusetzen mit moralisch, anständig, gesetzlich erlaubt? Welche Bücher und Songtexte inspirieren mich, um dafür einzutreten, was ich als gerecht empfinde? Und wie schaffe ich den Schritt vom Lesen über Reden zum Welt-Retten, vom Reflektieren zum Handeln, von der Analyse zur Aktion?

literaturCamp „Die Welt ist ungerecht. Lesen.Reden.Welt retten?“
am 8. und 9. Februar 2020 im Literaturhaus München
Fotos: © Aurelie Blazekovic & Bernhard Heckler 

„Lesen (ist) wie ein Kieselstein, 
der ins Wasser fällt und Kreise zieht.“

                          Manja Präkels beim literaturCamp „Gerechtigkeit“
im Februar 2020 in München


Lesen und Reden sind nicht wirkungslos, sondern eine Voraussetzung für fundierte demokratische Meinungsbildung. Und diese lässt sich artikulieren und verbreiten in Texten und Reden, die die eigene Position klarmachen – in literarischen Entwürfen, in offenen Briefen an die PolitikerInnen, in Tweets, auf Demo-Plakaten und in gesellschaftlichen Appellen ebenso wie im Wettstreit der Argumente. Aufklärung im Geiste von #ErikaMann findet im politischen Streit statt. Die Autorin Manja Präkels („Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“) ermutigte die Jugendlichen im „literaturCamp“ dazu, die eigene Stimme gegen Rechtsradikalismus, Fremdenhass und Terror zu erheben, aktiv gegen das Neo-Nazi-Gedankengut aufzutreten: „Sich der Kontroverse stellen! Mit Argumenten dagegen halten! Bekämpfen!“  

Gemeinsam mit der Philosophin Christine Bratu, dem Autor Tobias Elsäßer und der SZ-Journalistin Mareike Nieberding erkundeten die „literaturCamperInnen“ daher nicht nur, ob und wie (Un)Gerechtigkeit an der Schwelle zwischen subjektiver Erfahrung und objektiver Wirklichkeit zu verorten ist: Ist meine gelungene Schullaufbahn als Abiturientin dem stabilen Umfeld und der eigenen Anstrengung zu verdanken – und ist sie eine Ausnahme in einem tendenziell ungerechten Bildungssystem? Inwieweit ist der sexuelle Übergriff, dem ich ausgesetzt war, mit dem strukturellen Sexismus verbunden? Wie begegne ich als Person mit Migrationshintergrund dem institutionellen Rassismus und Vorurteilen im täglichen Leben? Sie übten sich darüber hinaus auch im Schreiben – im emphatisch- literarischen, analytisch-philosophischen und im appellativ-journalistischen Schreiben. Die entstandenen Texte sind auf der Webseite literaturcamp.com nachzulesen, die Live-Auftritte der TeilnehmerInnen auf der Lesebühne wiederum auf dem Instagram-Account #lit.camp dokumentiert – ebenso die Antworten auf die Fragen:

WOFÜR SETZT DU DICH EIN?

Für Chancengleichheit. Für Gleichberechtigung von Frauen. Für Klimagerechtigkeit. Für mehr Einbindung von Jugendlichen in die politische Sphäre. Für religiöse Toleranz. Für eine offene, vielfältige Gesellschaft. Für Geschlechtergerechtigkeit. Für das Recht auf Kritik. Für Artenvielfalt, Tiere und Pflanzen. Für echte Demokratie.

WOGEGEN KÄMPFST DU?

Gegen Vorurteile. Gegen Antisemitismus. Gegen internalisierten Rassismus. Gegen Beauty-Standards. Gegen Diskriminierung. Gegen Bildungsungerechtigkeit. Gegen Ausgrenzung. Gegen sexistische Sprüche und verletzende Witze. Gegen Ignoranz. Gegen Spaltung von Arm und Reich. Gegen den Satz: „Die Menschen sind halt so.“ 

„Natürlich wollte ich auf die Bühne (…)
Aber ich wollte auch schreiben und an Autorennen teilnehmen 
und die Welt sehen und Reporterin sein.
Seit kurzem und sehr zu meinem eigenen Erstaunen
wollte ich mich sogar politisch äußern.“
#ErikaMann

Das Ausprobieren unterschiedlicher künstlerischer Praktiken – sei es der Linolschnitt in den Werkstätten des Vereins Buchkinder München e.V. oder der digitale Videodreh bei der ersten Ateliernacht für Kinder im Haus der Kunst –  fördert bei Kindern und Jugendlichen Kreativität, differenziertes Denken und Kooperationsbereitschaft. Theaterformaten, die die Prinzipien des Spiels und der Partizipation verbinden und zur aktiven Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Diskursen und historischen Inhalten anregen, wird bei der Förderung der kulturellen (und politischen) Bildungsarbeit der Stiftung daher – neben der Leseförderung – besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die in Theaterprojekten geschulten sozialen Kompetenzen und die Synthese von Reflexion, von erlebendem und handelndem Lernen können eine gute Vorbereitung dafür sein, sich in demokratischen Aushandlungsprozessen – und vielleicht auch auf der „Bühne“ unseres politischen Systems oder in zivilgesellschaftlichen Projekten – sei es als Schulsprecherin, Jugendparlamentarier, Umweltaktivistin oder Flüchtlingshelfer – aktiv einzubringen. 

„Das Böse kann nicht beschwichtigt werden, 
es muss bekämpft und vernichtet werden.“ 
#ErikaMann

So hat das Theater an der Würm gemeinsam mit dem JugendSinfonieOrchester Dachau den „Brundibár“-Stoff aus der 1938 entstandenen und 1943 im KZ Theresienstadt uraufgeführten Kinderoper des tschechischen Komponisten Hans Krása neu arrangiert und 2018 im Münchner NS-Dokumentationszentrum auf die Bühne gebracht. In der Figur des bösen Leierkastenmanns Brundibár, der das Monopol zu Musikauftritten im Dorf für sich beansprucht, hinterfragt die Inszenierung die tyrannische Alleinherrschaft und die Gleichschaltung von Kunst – von deren Folgen war auch das von #ErikaMann 1933 mitbegründete Kabarett-Ensemble „Die Pfeffermühle“ hart betroffen; ihr selbst wurde für die „deutschfeindlichen“ Aufführungen die Staatsbürgerschaft aberkannt. Die Mechanismen der brutalen Machtdurchsetzung scheitern jedoch in der „Brundibár“-Oper an der Solidarität, dem Zusammenhalt und dem Gemeinsinn aller Dorfkinder. 

Uraufführung der Kinderoper „Brundibár“ am 27. Januar 2018 
im NS-Dokumentationszentrum München
Fotos: © Orla Connoly, NS-Dokumentationszentrum München 

Eine Welt, – eine einzige, mäßig große, die Raum hat für alle, 
doch nicht für alles. Und wofür nun einmal gewiss nicht? Das Wort ist flach, und wir vermieden es lieber. Es ist unvermeidlich. Was hinter ihm steht, 
hat die Erde in Rauch und Flammen gehüllt und muss verfemt sein, 
nach den Gesetzen der neuen Welt. Es heißt: 
Nationalismus!“
#ErikaMann


Der mit der Unterstützung der Stiftung gegründete Theaterjugendclub „SpielLust“ am Theaterforum Gauting entschied sich 2019 bei seinem Debüt für die Aktualisierung des hochpolitischen Stückes „Katzelmacher“ von Rainer Werner Fassbinder. Das Bühnenstück um den griechischen Gastarbeiter Jorgos greift die Problematik des die Zeit des Nationalsozialismus überlebenden Rassismus auf, der nicht ideologisch „von oben“ eingetrichtert werden muss, sondern der in der Vorort-Alltagswelt präsent ist – auf der Straße, im Betrieb, im Laden oder im Wirtshaus. Bereits der Titel wirft dringende Fragen danach auf, wo und wie wir heute der sprachlichen Verrohung, dem Fremdenhass oder der rassistisch motivierten Gewaltbereitschaft begegnen. Neben diesen immanenten Lern- und Reflexionsprozessen war die Vorbereitung der Inszenierung für die 12- bis 20-jährigen Mitglieder des „SpielLust“-Ensembles, die von den Schauspielern Lucie Mackert und Sebastian Hofmüller angeleitet wurden, auch eine ständige Kommunikations- und Interaktionsarbeit: In den wöchentlichen Proben, beim Entwurf des selbst kreierten Bühnenbildes und bei den Aufführungen übten sie sich in Teamarbeit, Argumentation und gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung.

Im Herbst 2020 ist eine zweite „SpielLust“-Staffel vorgesehen – vielleicht willst Du diesmal auch auf der Theaterbühne mitmachen? Oder Dich auf einer anderen Bühne, in einem anderen Kontext, dafür engagieren, dass die Vision von #ErikaMann – eine neue Welt ohne Nationalismus – Realität wird?   

Uraufführung des Stückes „Katzelmacher“ am 11. Mai 2019
im bosco – Bürger- und Kulturhaus Gauting  
Fotos: © Werner Gruban, Theaterforum Gauting e.V. 

Dr. Slávka Rude-Porubská ist bei der Waldemar-Bonsels-Stiftung zuständig für die FörderprojekteKooperationen sowie für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. 

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