Waldemar Bonsels (1880–1952)
Hätte Bonsels Die Biene Maja nicht geschrieben, wäre er heute vergessen. Konzentrieren wir uns also auf den Text, der, 1913 erschienen, den bisher mit einem knappen Dutzend Romanen und einigen Gedichtbänden bereits in Deutschland bekannten Autor weltberühmt machte. Die Biene Maja, keineswegs ein reines Kinderbuch, aber als spannend erzählte Abenteuergeschichte für Kinder auch, ja gerade heute mit Gewinn zu lesen, bündelt ohnehin die wichtigen Motive, die Bonsels´ umfangreiches Werk als Einheit erscheinen lassen. Die Biene Maja ist ein Schlüsseltext in Bonsels´ Werk. Welche Gedanken also sind es, die Bonsels´ Erzählung bestimmen?
Am Anfang steht ein anarchischer Akt. Statt Honig zu sammeln, statt der Norm zu folgen und zu arbeiten, benutzt Maja die Gelegenheit ihres ersten Ausflugs, um auszubüchsen. Sie erkundet die Welt. Sie ist berauscht vom Gefühl ihrer Freiheit, entdeckt den Reiz der Blumen und ihrer leuchtenden Farben, den Duft der Gräser und der Tannen, sie begeistert sich für die nie gesehen Lichtspiegelungen, die die Sonne auf das Wasser eines Weihers zaubert. Die kristallen funkelnden Flügel einer Libelle versetzen sie in Entzücken, umso tiefer trifft der Schock über deren Grausamkeit, einem Käfer in ihren Fängen den Kopf abzubeißen. Doch bei allem Entsetzen bleibt die Faszination der Schönheit. Man kann also wohl sagen, daß Bonsels in der Biene Maja im Rahmen seines Naturbildes durchaus eine Ästhetik des Schreckens pflegt, und sich nicht zuletzt dadurch als Autor der klassischen Moderne zeigt.
Seine Biene ist eine Abenteurerin, entschlossen, ihr Leben aus eigener Kraft führen. Dabei hat sie Züge eines Künstlers, der Neues entdecken und Eigenes schaffen will. Unerschrockenheit, Neugierde und Tatendrang, aber auch Nachdenklichkeit sind die Eigenschaften dieser märchenhaften Figur. Mit ihr hat sich Bonsels selbst porträtiert.
Der vom Münchner Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek 2012 im Harrassowitz Verlag herausgegebene Band „Waldemar Bonsels. Karrierestrategien eines Erfolgschriftstellers“ versammelt Beiträge, die die Positionen, Karrierewege und Wandlungen der umstrittenen Autorenpersönlichkeit Bonsels beleuchten.
2015 erschien im Berliner Verlag Matthes & Seitz die von Bernhard Viel verfasste Biographie „Der Honigsammler. Waldemar Bonsels, Vater der Biene Maja“.
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Waldemar Bonsels wird am 21. Februar 1880 als Sohn eines Apothekers in Ahrensburg (Holstein) geboren. Nach dem Abbruch des Gymnasiums beginnt er eine Kaufmannslehre und geht 1903 als Missionskaufmann im Auftrag der Baseler Mission nach Indien. Schon nach wenigen Monaten bricht er seinen Dienst ab und zieht nach München, wo er gemeinsam mit Freunden den Schwabinger Verlag „E.W. Bonsels & Co.“ gründet. Dort erscheint seine öffentliche Kritik am Missionsbetrieb, der Brief Mein Austritt aus der Baseler Missions-Industrie und seine Gründe. Neben eigenen Schriften veröffentlicht Bonsels’ Verlag auch Werke von Autoren wie Lion Feuchtwanger, Paula Rösler oder Heinrich Mann.
Von 1911 bis 1913 lebt Bonsels mit seiner zweiten Frau Elise und den gemeinsamen Söhnen in Oberschleißheim, wo sein bekanntestes Buch, Die Biene Maja und ihre Abenteuer (1912), entsteht.
Im Ersten Weltkrieg ist Bonsels Kriegsberichterstatter in Osteuropa. Danach kauft er die Villa in Ambach am Starnberger See, in der er bis zu seinem Tod lebt. Bonsels heiratet dreimal und ist Vater von fünf Söhnen.
Ab den frühen 1920er Jahren kann Bonsels als freier Schriftsteller leben. Er verfasst Kriminalromane, Reisereportagen, erotische und philosophische Erzählungen sowie Naturschilderungen – heute ist das meiste davon vergessen, zu Lebzeiten ist Bonsels jedoch ein berühmter Erfolgsautor, dessen Werke hohe Auflagen erzielen.
1933 verbieten die Nationalsozialisten einige seiner Bücher. Die Indizierung wird jedoch 1938 aufgehoben und Bonsels tritt der Reichsschrifttumskammer bei. Außerdem veröffentlicht er antisemitische Artikel in verschiedenen Zeitungen und dient sich in opportunistischer Haltung dem Regime an. Nach dem Zweiten Weltkrieg inszeniert sich Bonsels als verbotener Autor und kurzzeitiger Exilant.Waldemar Bonsels stirbt am 31. Juli 1952 in seinem Haus in Ambach. Die Inschrift seines Grabsteins zitiert den letzten Satz seines Buches Himmelsvolk (1915): „Wir alle sind aus Freude geboren und kehren zu ihr zurück.“
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1880 21. Februar: Geburt als Jakob Ernst Waldemar Bonsels in Ahrensburg
1884 Umzug der Familie nach Berlin zum Studium des Vaters
1890 Umzug der Familie nach Kiel, wo der Vater als Zahnarzt tätig ist
1893 Unfalltod des jüngeren Bruders Adalbert • Umzug der Familie nach Lübeck
1897 Abgang vom Gymnasium • Umzug der Familie nach Bielefeld • kaufmännische Ausbildung bei der Weberei König
1900 Vertreter für Ansichtskarten in Karlsruhe • Freundschaft mit Hans Brandenburg
1903 Oktober: Aufbruch nach Indien im Auftrag der Baseler Mission
1904 Vorzeitige Rückkehr • Gründung des Verlags „E.W. Bonsels&Co.“ in München
1905 Heirat mit Cläre „Teta“ Brandenburg
1906 Geburt des Sohnes Frank Lothar Bonsels
1907 Geburt des Sohnes Bernd Holger Bonsels
1908 Die Ehe mit Teta wird geschieden
1910 Geburt des Sohnes Nils Bonsels mit Elise „Lise“ Ostermeyer
1911 Umzug nach Unterschleißheim zu Bernd Isemann und Familie • Heirat mit Lise
1912 Geburt des Sohnes Hans Bonsels
1915 Sommer bis Herbst: Kriegsberichterstatter in der Ukraine
1918 Sommer in Estland • Kauf der Villa in Ambach • Anmietung der Casa Romita auf Capri
1919 Kennenlernen der Tänzerin Edith von Schrenck in Frankfurt
1920 Geburt des (unehelichen) Sohnes Kajetan „Kay“ von Schrenck
1923 Begegnung mit der Schriftstellerin und Künstlerin Paula Ludwig
1924 Dreharbeiten mit Wolfram Junghans zum Insektenfilm „Biene Maja“ • Ufa-Filmexpedition nach Brasilien
1926 Ehe mit Lise wird geschieden
1928 Ägyptenreise mit der befreundeten Anni Pfeiffer
1930 Kennenlernen der Tänzerin Rose-Marie Bachofen (evtl. bereits 1928)
1933 Veröffentlichung des antisemitischen Artikels „Begründungen“ in mehreren Zeitungen • teilweises Verbot seiner Bücher
1934 November: siebenmonatige Reise durch die USA
1937 Sohn Nils stirbt an Meningitis
1938 Indizierung wird aufgehoben
1939 Reise in die Türkei kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
1941 Sohn Kay fällt als Soldat in der Ukraine • Sohn Frank Lothar vermisst in Russland
1945 Publikationsverbot nach Ende des Zweiten Weltkriegs
1949 Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs
1950 Heirat mit Rose-Marie Bachofen in der Schweiz
1952 Waldemar Bonsels stirbt in seinem Haus in Ambach am 31. Juli